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"Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung." 

John F. Kennedy

Bildung Armut

Bildungs

armut?

Zuerst einmal: Keine Angst! Bildung scheint nämlich vor allem eins zu sein, ein echtes Angst-Thema.

"Nichts ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Jeder glaubt, er habe genug davon." - so ähnlich sagte Descartes, aber mit der Bildung ist das anders. Sie ist äußerst ungleich verteilt; was Bildung genau ist, ist umstritten und es gibt sie nicht zu kaufen. Trotzdem kann sie viel Geld kosten. Und Geduld. Und Mühe. Und Nerven. Und... 

 

Die Lektüre einer Reportage (Das wahre Elend von Walter Wüllenweber und Andreas Reeg (Fotos) im stern Nr. 52 v. 16.12.2004) zum Unterrichtsthema Armut - Bildung - Bildungsarmut? brachte uns auf die Idee, als Produkt unserer Arbeit diese Seite einzurichten.
Die unten zitierten Texte stammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, aus der o.a. Reportage. (ganze Reportage lesen)

Wenn wir hier ausgerechnet aus dieser Reportage ausführlich zitieren, dann tun wir das nicht, um etwa einzelne Menschen oder ganze Gruppen "an den Pranger" zu stellen. Vielmehr meinen wir, dass diese Reportage einen interessanten und etwas veränderten Blick auf bestimmte Zusammenhänge ermöglicht und damit einen guten Anreiz bietet, sich eine eigene Meinung zu bilden über Ursachen und Auswege aus der Armut und die Bedeutung, die Bildung dabei einnehmen kann.  

 
Bildung und Armut
  Die Menschen aus der Reportage:

Ein Stadtteil irgendwo im Ruhrgebiet, eine Straße. Auf der Suche nach der (offiziell) ärmsten Region in Westdeutschland ist der Autor auf sie gestoßen. Nirgendwo ist der Anteil an Sozialhilfeempfängern höher, das Haushaltseinkommen niedriger als hier.

"Die niedrigen Wohnblocks aus den 60er Jahren sind gepflegt. Kein Müll, keine Graffiti, auf weitläufigen Rasenflächen stehen Rutschen und Schaukeln im Herbstlaub. Ein Bataillon aus Schüsseln peilt Satelliten an. Hinter den Gardinen flackert bläuliches Licht. Studiogebräunte Mädchen klackern über die Betonwege. In ihren Armbeugen baumeln Handtäschchen. Dicke Kerle wuchten sich aus breitbereiften BMWs, Audi TTs und tiefergelegten Golfs. Der Hausmeister sammelt ein paar Kippen auf. 'Armut? Armut, nee, die gibt's hier nicht.'"

Foto und ©: Andreas Reeg

Früher arbeiteten die meisten Menschen hier als ungelernte Arbeiter, z.B. auf einer großen Zeche.

"Doch die Jobs für Leute ohne Ausbildung sind weg. Sie kommen nie zurück."

Fragen, Infos:

 

Wer gilt bei uns als arm?
"In Deutschland gilt als arm, wer mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens auskommen muss. Das trifft auf rund 10 Millionen Menschen zu."
Wie viel Geld haben die Armen?

"Eine vierköpfige Familie, die von Sozialhilfe lebt, bekommt vom Staat inklusive Miete und allen Hilfen rund 1550 Euro im Monat, bei fünf Personen sind es etwa 1840 Euro. Das ist mehr, als Ungelernte netto verdienen können."

"In München-Hasenbergl, in Hamburg-Wilhelmsburg, in Köln-Chorweiler, in den typischen deutschen Unterschichtvierteln, leben die Armen heute in geräumigen Wohnungen mit Einbauküche, Mikrowelle, Waschmaschine, Spülmaschine, Handy, meist mehreren Fernsehern und Videorecorder. Das zeigen die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes." 

Worin bestehen bei uns heute Not und Elend?

"Die heutige Unterschicht leidet keine Not, wie sie in Romanen des 19. Jahrhunderts beschrieben wird. Und dennoch lebt sie im Elend.

Das Elend ist keine Armut im Portemonnaie, sondern die Armut im Geiste. 

Der Unterschicht fehlt es nicht an Geld, sondern an Bildung.

In keinem OECD-Land, das hat der Pisa-Test gerade zum zweiten Mal gezeigt, werden Unterschichtkinder im Bildungssystem so skandalös benachteiligt wie in Deutschland. Einmal unten, immer unten."

Wie entwickeln sich Armut und Reichtum?

"Und der neueste Armutsbericht der Bundesregierung zeigt: Die Reichen werden reicher. Und die Armen? Die werden auch reicher. Dennoch ist Deutschland ein gespaltenes Land. 

Aber die Spaltung verläuft nicht entlang der wirtschaftlichen Linien. 

Es ist eine kulturelle Spaltung."

Wäre mehr Geld die Lösung?  

"Seit Jahrzehnten versucht die deutsche Gesellschaft, die Armut mit Geld zu besiegen. 

Das hat nicht funktioniert. Paul Nolte, Professor für Sozialgeschichte an der International University in Bremen, nennt dies "fürsorgliche Vernachlässigung". Staat, Gesellschaft und auch die Sozialwissenschaften haben versucht, sich von der Verantwortung für die Unterschicht freizukaufen. Die wurde mit Geld ruhig gestellt. Opium fürs gemeine Volk. Doch was die Unterschicht wirklich braucht, das wurde ihr verwehrt.
Was braucht die Unterschicht? Womit kann ihr geholfen werden, wenn nicht mit Geld? "Bildung", sagt Paul Nolte. "Bildung", sagt Berthold Werth. "Bildung", sagt Klaus Peter Strohmeier, Soziologieprofessor an der Bochumer Ruhr-Universität, einer der wenigen deutschen Sozialwissenschaftler, die sich mit der Unterschicht beschäftigen. "Bildung", sagt der Gesundheitsforscher Andreas Mielck. "Bildung", sagt der Sportsoziologe Klaus Cachay. "Bildung", sagt Klaus Wermker, Stadtentwicklungsleiter in Essen. "Bildung", sagt Karin Neuhaus vom Essener Institut für Stadteilbezogene Soziale Arbeit, die sämtliche sozialen Projekte in Katernberg koordiniert. "Bildung", sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. "Bildung", sagt Gisela Wehner-Böhme,die Leiterin der Kindertagesstätte in Katernberg. "Bildung", sagt Angelika Sass-Leich, Direktorin der Hebartschule, einer Grundschule in Katernberg.

Bislang glaubten Politik, Sozialwissenschaften und Gesellschaft: Die Lebensformen der Unterschicht und ihre Verhaltensweisen seien die Folge ihrer Armut. Genau das Gegenteil ist richtig: Die Armut ist eine Folge ihrer Verhaltensweise, eine Folge der Unterschichtkultur. In Deutschland sind nicht immer die Armen die Dummen, sondern die Dummen sind immer arm. Wer nicht ein Mindestmaß an Selbstdisziplin gelernt hat, wer seinen Körper nicht gesund hält, ist nicht arbeitsfähig. Wer keinen richtigen Beruf gelernt hat, ist ohne Chance. Arbeitsplätze für Hilfsarbeiter verschwinden immer mehr. Mangelhafte berufliche Qualifikation ist mit Abstand das größte Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit. Permanentes Lernen ist heute für jeden Beruf überlebenswichtig. Der Kfz-Mechaniker, Traumjob der Jungs im Meerkamp, ist heute EDV-Fachmann. Und Kindergärtnerinnen, Traumjob der Mädchen im Meerkamp, müssen in anderen Ländern studiert haben. Die Unterschicht hat nur zwei Alternativen: Bildung oder Sozialhilfe."

 

http://www.sozialpolitik-aktuell.de/

http://www.bmas.bund.de/

Planet-Wissen.de

Stichwort "Armut"

Stichwort "Bildung"

 
Bildung und Medien

" 'Sydney! Sydney, du sollst doch nicht so nah an den Fernseher ran.' Elf Uhr morgens. Die zweieinhalbjährige Sydney liegt im Schlafanzug am Fußende ihres Bettes, das Gesicht in Ärmchenweite vor der Mattscheibe. Gebrüll und Explosionen wummern, die typischen Geräusche japanischer Zeichentrickfilme."

"Heike Benziane, Sydneys Mutter, holt ein Duplo aus einer der Schüsseln mit Süßigkeiten, wickelt es aus und schiebt es Sydney in den bereits schokoladenverschmierten Mund."

Foto und ©: Andreas Reeg

Ist Sydney ein typischer Fall?
"Unterschichtkinder, das haben Medienwissenschaftler herausgefunden, schauen nicht nur erheblich mehr fern als Gleichaltrige aus der Mittel- und Oberschicht. Sie bevorzugen billige Comics und Werbung. Die Sendung mit der Maus überfordert sie oft. Noch nicht in der Schule und schon abgehängt, selbst beim Glotzen."

Woran gewöhnt sich Sydney? 

Was entgeht ihr?

Warum spielt sie nicht?

Was lernt sie / lernt sie nicht?

Welche Bedeutung hat das Fernsehen hier?

"Wer in der zweiten, dritten oder vierten Generation Sozialhilfe bekommt, lebt in einer Welt ohne Zeit. Der Fernseher strukturiert den Tag, und der läuft immer..." 

"Der Freizeitforscher Horst Opaschowski hat herausgefunden: In der Freizeit ist die Unterschicht vor allem passiv. Und wer von Stütze lebt, hat viel freie Zeit. Freunde treffen, im Internet surfen, etwas lernen, lesen? Alles Fehlanzeige. Unterschichtler verbringen ihre Freizeit vor allem mit Glotzen. Sie sind die Zuschauer des Lebens. Und sie glotzen vor allem mehr Nachmittagsgeplapper, mehr Gewalt, mehr Trash. "Mediale Verwahrlosung", nennt das Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover. Du bist, was du glotzt."

Medienkonsum und Gewaltbereitschaft

Medien, Gewalt und schlechte Noten

Visuelle Gewalt macht Kinder dumm

Fernsehregeln für Kinder

Fernsehen - Angriff auf das Gehirn?

Folgen des Fernsehens bei Kindern und Jugendlichen

Krach erschwert den Spracherwerb

Empfehlungen zur Sprachförderung bei Kindern

Forschungsergebnisse zum Umgang von Kindern mit Medien

 
Bildung und Konsum
  "Ich war noch in keiner Familie, in der es nicht das volle Sortiment der Unterhaltungselektronik gab: Fernseher, DVD, Video, PC, Playstation, einfach alles. Aber ich war schon oft in Familien, in denen es keine Uhr gibt."
"Disziplinlosigkeit ist eines der Merkmale der neuen Unterschichtkultur. Es gibt noch mehr: Konsumforscher haben ermittelt, dass die Unterschicht zu "demonstrativem Konsum" neigt, die angesagtesten Klamotten, das neueste Handy, das Auto mit dem fettesten Auspuffrohr. Und wenn das Geld ausgegeben ist, werden Schulden gemacht. Wofür? Vor allem für Unterhaltungselektronik, sagen Verbraucherschützer. Die Unterschicht lebt im Hier und Heute und kümmert sich nicht um die Zukunft. Weder um die eigene noch um die der Gesellschaft."  

Demonstrativer oder Geltungskonsum

Über problematischen und unproblematischen Konsum

 
Bildung und Gesundheit
 

Foto und ©: Andreas Reeg

"Udo Hupa ist 44 Jahre alt und wohnt auf demselben Stockwerk wie seine Eltern. Er ist klein und wiegt um die 130 Kilo. Obwohl Udo Hupa Diabetiker ist, stehen regelmäßig Süßigkeiten auf dem Speiseplan. "Ich versuch' ja, es zu lassen", sagt er. "Aber ich muss einfach laufend zum Büdchen und mir eine Ladung Weingummis reinziehen." Hupa findet sich nicht zu dick."

"Die Unterschicht ist von allen chronischen Krankheiten überdurchschnittlich stark betroffen", sagt Andreas Mielck vom Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München. 

Das Krankheitsrisiko ist etwa doppelt so hoch, auch bei der angeblichen Managerkrankheit Herzinfarkt. Sind Angehörige der Unterschicht einmal erkrankt, verläuft ihr Heilungsprozess erheblich schlechter. Früher waren mangelnde ärztliche Versorgung und krankmachende Arbeitsbedingungen die Gründe dafür. Heute nicht mehr. Es gibt nur einen Grund: falsches Verhalten.

Mielck hat die Beweise zusammengetragen: Ehemalige Hauptschüler rauchen fast doppelt so oft wie ehemalige Gymnasiasten. Schon 12- bis 13-jährige Hauptschüler trinken annähernd doppelt so viel Alkohol wie gleichaltrige Gymnasiasten. Fast ein Drittel der Unterschichtfrauen haben starkes Übergewicht (32 Prozent), viermal so viel wie Oberschichtfrauen (8 Prozent). Fast Food ist die Nahrung der Unterschicht. Und 25- bis 39-jährige Angehörige der Unterschicht haben dreimal so oft Bewegungsmangel wie Angehörige der Oberschicht.

Mit Geld hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil: Einen Monat rauchen ist teurer als der Monatsbeitrag in einem exklusiven Fitness-Studio. Fast Food ist teurer als Selberkochen. Alkohol ist teurer als selbst gepresster Obstsaft, die Presse mitgerechnet. Ungesundes Verhalten ist insgesamt teurer als gesundes. Armut macht also nicht krank. Der schlechte Gesundheitszustand der Unterschicht ist keine Folge des Geldmangels, sondern des Mangels an Disziplin. Disziplinlosigkeit ist eines der Merkmale der neuen Unterschichtkultur."

 

Krankheit und Armut - Ärztetag 2005

Gesundheitsrisiken der Unterschicht

Gesund mit wenig Geld - geht das?

 

 

Bildung und Sport

 

"Los, gib ab, gib ab, gib aaaab!", brüllt ein Junge seinen Mitspieler an. Dann geschieht ein kleines Wunder: Der Angebrüllte spielt den Ball tatsächlich ab. Der Rest ist Formsache: Schuss. Tor.
Berthold Werth strahlt. So langsam lernen die Jungs, was Zusammenspielen bedeutet. Werth ist ein Sozialarbeiter des Jugendhilfe-Netzwerks der Arbeiterwohlfahrt in Katernberg. Im Auftrag des Jugendamtes betreut er besonders problematische Familien. Weil er selbst Fußballer ist, hat er vor drei Jahren begonnen, mit den 11- bis 15-jährigen Jungs aus diesen Familien einmal die Woche in der Sporthalle zu kicken.
Joe bekommt den Ball zugespielt. Er hat freie Bahn. Jetzt müsste er losstürmen und das Ding reinmachen. Geht aber nicht. Der 13-Jährige wiegt über 100 Kilo. Sein Kopf ist knallrot, er japst.

Drei schwere Schritte tapst er Richtung Ball. Dann ist die Chance vertan. "Och Mensch", brüllt Lars, der selbst kaum dünner ist als Joe. "Das gibt's doch nicht. Das war die Chance." Alle schauen Joe an.

Wird er wieder gegen die Wand treten, rumschreien, weinen und schließlich nach Hause gehen, wie letzte Woche, und vorletzte? Joe trainiert beim Fußball nicht nur seinen Körper. Er muss lernen, mit Frustrationen, mit Niederlagen umzugehen, ohne gleich auszurasten. Joe schluckt. In seinen Augen sind Tränen. Aber er reißt sich zusammen."

"Die Unterschicht verliert die Kontrolle, beim Geld, beim Essen, beim Rauchen, in den Partnerschaften, bei der Erziehung, in der gesamten Lebensführung. Nirgendwo wird der Disziplinverlust so deutlich wie beim Sport. Über Generationen war Sport der große Freizeitspaß der Unterschicht. Nach Schulschluss wurde in den Arbeitervierteln gekickt. Früher. Ob Jung oder Alt: Für die Unterschicht findet Sport heute im Wesentlichen im Fernsehen statt. "Hauptschulabsolventen treiben nur noch zu 21,5 Prozent Sport, Gymnasialabsolventen jedoch zu 52,3 Prozent", sagt (der Freizeitforscher) Opaschowski. Je höher das sportliche Leistungsniveau, desto geringer der Anteil von Angehörigen der Unterschicht. "In den Olympiamannschaften finden wir fast nur noch Studenten oder Leute mit Abitur", sagt der Sportsoziologe Klaus Cachay. "Sport bedeutet Selbstdisziplin, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen und Leistungsorientierung. All das sind Fähigkeiten, die der Unterschicht mehr und mehr abhanden kommen." Doch wie kann heute jemand an unserem Arbeitsmarkt bestehen, der nicht zuverlässig, nicht diszipliniert und nicht leistungsorientiert ist?"  

WDR-Bildungsseite

Bildungsseite der "ZEIT"

Seite der "ZEIT" zum Thema Unterschicht

Ein Ansatz

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© Kurs 10sw1 der Fridtjof-Nansen-Realschule

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Mai/Juni 2006